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Treffer zu Schlagwörter: Gerechtigkeit (1)

  1. Die Vorstellung von der Entwicklung des moralischen Urteils ist vor allem mit den Studien von Kohlberg und seiner Schule verbunden worden. Das Projekt arbeitet an einer Alternative, die erklärt, warum die Heranwachsenden nicht zu der Urteilsbildung vorstoßen, die bei Kohlberg das Ziel der Entwicklung darstellt (das postkonventionelle Niveau) und wie sich in Abgrenzung vom theoretischen Entwurf der Stufen sensu Kohlberg durch das Regelwerk der öffentlichen Erziehung selbst so etwas wie ein strukturelles heimliches Curriculum der moralischen Urteilsbildung ergibt. Dafür wird angesetzt sowohl an den Normen, mit denen es die Heranwachsenden in der öffentlichen Erziehung zu tun bekommen: soziale Allgemeinheit der Bildung, Gerechtigkeit gegenüber dem einzelnen Schüler, Solidarität als Schutz und Förderung der Schwachen und Mündigkeit als die Freisetzung zu autonomen Urteilen und Handlungsformen) und die Funktionen, die das Regelwerk der Schule erklären: Selektion, Qualifikation und Legitimation. Beide, die Normen und die Funktionen, stehen in einem nicht aufhebbaren Widerspruch einander gegenüber. Man kann im Sinne der gerechten Selektion nicht alle gleich behandeln und gleichzeitig jeden Schüler entsprechend seinen Voraussetzungen individuell betreuen, man kann nicht gleichzeitig für die soziale Allgemeinheit der Bildung sorgen und die Selektion des Systems ermöglichen usf. Im Medium dieser Widersprüche, die in unzähligen alltäglichen Konfliktsituationen von den Schülern erlebt werden, entwickelt sich ungleich stärker das moralische Urteil als in der unterrichtlichen Auseinandersetzung mit Moral als Moral. Zu den genannten Normenbereichen wurden Kindergartenkindern, Schülern aller Schulstufen, Studenten, Berufsschülern und Langzeitarbeitslosen, die in Maßnahmen der Weiterbildung stehen, lebensweltlich verankerte Konflikte im Spannungsfeld einer Norm und einer Funktion vorgestellt. An den Reaktionsformen auf diese Widersprüche sollte abgelesen werden können, mit welchen Deutungsmustern die Heranwachsenden in der Lage sind, die Widersprüche zu erkennen und so zu verarbeiten, dass sie mit ihnen als ungeschlichteten zurechtkommen. Mit der Hinnahme der Widersprüche als nicht anders denkbare Praxis geht die Bereitschaft einher, das Sollen dem Sein unterzuordnen und dabei auf die Verwirklichung der Normen zu verzichten. Die zentrale Chiffre für die damit einhergehende Desensibilisierung gegenüber den Widersprüchen nennen wir "bürgerliche Kälte". (Projekt)